ZEN ist im Allgemeinen nicht theistisch und unterscheidet sich in diesem Punkt von vielen religiösen Traditionen, die an einen personalen oder allmächtigen Gott glauben. Im ZEN gibt es kein zentrales Dogma über eine göttliche Entität oder einen Schöpfergott, wie man es in monotheistischen Religionen wie dem Christentum, Judentum oder Islam findet. Stattdessen konzentriert sich ZEN auf eine direkte, unmittelbare Erfahrung der Wirklichkeit, die über Vorstellungen von „Gott“ oder „Göttlichem“ hinausgeht.
1.
ZEN und die Vorstellung von Transzendenz
ZEN kann als transzendente Praxis gesehen werden, aber diese Transzendenz bezieht sich weniger auf ein göttliches Wesen und mehr auf das Überwinden des
dualistischen Denkens und des gewöhnlichen Bewusstseins. Im ZEN geht es um die Überwindung der Vorstellungen von „Ich“ und „Anderem“, von „Heilig“ und „Profan“. ZEN fordert die Praktizierenden auf, direkt zur Natur des Geistes vorzudringen und sich von Konzepten und Vorstellungen, auch über das Göttliche, zu lösen.
2.
Die buddhistische Sichtweise: Kein Schöpfergott
ZEN-Buddhismus basiert auf den Grundprinzipien des Buddhismus, der kein Konzept eines Schöpfergottes enthält. Buddha selbst sprach nicht von einem Gott, sondern legte den Fokus auf das Erkennen und Überwinden des Leidens durch ethische Lebensführung, Meditation und Einsicht. Stattdessen erklärt der Buddhismus das Leiden und die Welt durch das Gesetz von Ursache und Wirkung („Karma“) und die Vorstellung von bedingtem Entstehen („Pratityasamutpada“), also der wechselseitigen Abhängigkeit aller Phänomene.
3.
Die Natur des „Buddha-Geistes“
Statt Gott als Zentrum der spirituellen Suche zu betrachten, spricht ZEN von der „Buddha-Natur“ oder dem „ursprünglichen Geist“. Diese „Buddha-Natur“ wird oft als die wahre Natur aller Lebewesen verstanden, die frei von Unwissenheit, Verlangen und falschen Vorstellungen ist. Sie ist jenseits von
Dualitäten wie „Gott“ und „Mensch“ oder „heilig“ und „weltlich“. Das Ziel im ZEN ist es, die eigene Buddha-Natur zu erkennen und im Einklang mit ihr zu leben, was als
Erwachen oder „Satori“ bezeichnet wird.
4.
ZEN als Praxis des Nicht-Anhaftens
ZEN fordert dazu auf, sich von Anhaftungen zu lösen, auch von der Anhaftung an Ideen und Vorstellungen, einschließlich religiöser Konzepte. Der ZEN-Weg ist geprägt von einer pragmatischen Herangehensweise: Er beschäftigt sich mit der unmittelbaren Erfahrung und ist weniger an spekulativen Fragen interessiert. Der ZEN-Buddhismus legt den Fokus auf die Praxis, insbesondere auf die Meditation, die Konzentration auf den Atem und die direkte Erfahrung des gegenwärtigen Moments.
5.
ZEN, Mystik und das Absolute
Obwohl ZEN keinen theistischen Gott verehrt, gibt es eine mystische Dimension, die manchmal als „Absolutes“ beschrieben wird. In ZEN-Texten wird jedoch betont, dass das Absolute nicht als etwas Getrenntes oder als eine Entität „dort draußen“ existiert, sondern in jeder Erfahrung und in jedem Moment enthalten ist. In diesem Sinne spricht ZEN manchmal vom „leeren Geist“ oder vom „Nichts“ (Mu), das alles umfasst und dennoch in keiner Form greifbar ist. Dies unterscheidet ZEN von einem persönlichen, anthropomorphen (von menschlicher Gestalt) Gottesbild.
6.
ZEN in theistischen Kulturen
Interessanterweise kann ZEN auch in theistischen Kulturen praktiziert werden und ist in gewisser Weise anpassbar, da es die individuellen Glaubensansichten der Praktizierenden in den Hintergrund stellt. In der westlichen Welt finden sich oft Menschen mit unterschiedlichen religiösen Hintergründen, die ZEN praktizieren, ohne dabei auf ihre eigenen Überzeugungen verzichten zu müssen. ZEN stellt keine Doktrin über Gott oder das Göttliche auf und lässt daher Raum für persönliche Interpretationen.
Zusammengefasst:
- Kein personaler Gott: ZEN lehrt keine Vorstellung von einem persönlichen Gott oder einem Schöpfergott.
- Fokus auf unmittelbare Erfahrung: ZEN konzentriert sich auf die direkte Erfahrung des „So-Seins“ oder der wahren Natur der Dinge, ohne Gotteskonzept.
- Buddha-Natur statt Göttlichkeit: ZEN betont die „Buddha-Natur“, das Potenzial zum Erwachen in allen Wesen.
- Transzendentes ohne theistische Auslegung: ZEN spricht von „Nichts“ oder „Leerheit“ als Quelle der Einheit und des Friedens, was über das Konzept von „Gott“ hinausgeht.
Im ZEN geht es also darum, die Realität unmittelbar zu erfahren, indem alle Konzepte und Vorstellungen, auch die von Gott oder Göttlichem, losgelassen werden. ZEN ist in diesem Sinne eine spirituelle Praxis, die Menschen aller Glaubensrichtungen offensteht und die nicht auf theistische Annahmen angewiesen ist.